Montag, 2. Mai 2011

Die Erste Begegnung

Es ist passiert. Wir wohnen jetz 7 Monate hier und weil Es so lange auf sich warten ließ reifte, zumindest in mir, ein Mysterium darum. Ein Mysterium um unsere nächsten Nachbarn. Unsere Haustüren sind kaum einen halben Meter entfernt, auf dem Balkon trennen uns 5cm Plastikwand von Ihnen und doch hab ich sie nie gesehen oder gehört noch sonst wie wargenommen. Alles was mein bisheriges Bild prägte war der grüne Kranz mit rotem Band an der ansonsten schlichten Tür. Zeitweise hegte ich sogar Zweifel daran, dass überhaupt Leute in der Wohnung nebenan leben, so unscheinbar ihre Präsenz. Und wenn jemand dort wohnte, keinen Laut von sich gebend- doch unseren ständigen Krach ertragend, wie geht dieser jemand mit einer solch einseitigen Belästigung um? Von Unten und vor allem von Oben hört man nicht selten mal ein Rufen, Schritte, Musik, Kinder die spielen (respektive Schlitten oder Go-Kart fahren) oder zumindest mal ein Husten/Niesen- irgend ein Zeichen von menschlicher Anwesenheit. Bei letzteren Nachbarn finde ich es nicht so schlimm wenn wir auch mal lauter sind: Ein Geben und Nehmen (akustisch). Aber wie denkt ein Nachbar der nur einsteckt? Der ständig nur hinnimmt? Der monoton die alleinige Rücksicht auf sich nimmt? Erwartet er mit diesem Verhalten auch von uns absolute Stille? Wird es immer bei diesem leisen Protest bleiben oder sind Ängste stiller Nächte berechtigt, dass eines Tages diese Rücksicht vorbei ist, das Maß voll ist und dem stillen Protest Taten folgen. Vielleicht wohnt neben uns ein Psychopat, der die Fenster mit Zeitungspapier zugeklebt hat und den ganzen Tag an einem Schreibtisch kauert und Augen aus Zeitschriften ausschneidet um damit riesige Kollagen zu machen. Einer dem die Augen befehlen, er solle sich von seinen Mitmenschen nicht herumschupsen lassen sondern handeln. Mit einem Rest an gesundem Verstand schafft er es weitestgehend ein normales, wenn auch unscheinbares Leben in einem Neubaublock in Berlin Mitte zu führen. Er meidet jeden zwischenmenschlichen Kontakt um der Versuchung nicht zu erliegen dem Druck der Augen nachzugeben, alles wahr werden zu lassen, derjenige zu sein der als LETZTES lacht. Doch der kranke Gedanke reift in ihm. Die Idee nimmt Gestalt an, letztendlich entsteht ein Plan- vorerst nur pro forma- doch mit der festen Absicht ihn umzusetzen. Schließlich gibt eine Party bei seinen Nachbarn den ersehnten Anlass- in seinen Augen. Es war eine Geburtstagsfeier, es sollte ein schöner Abend werden. Es kam anders, die Zeitungen Titeln am Folgetag:

"Tragödie in Berlin Mitte
Am gestrigen Abend gegen 22:30 geschieht in der Berliner Innenstadt Unglaubliches: Ein Mann verschafft sich gewaltsam Zugang zu einer Festlichkeit in der Nachbarwohnung. Mit einer Schrotflinte kann er das Schloss überwinden, was danach geschah kann die Polizei nur vage rekonstruieren. In der Wohnung befanden sich zu der Zeit etwa 20 Jungerwachsene. Panik brach aus. Die Tat schien geplant, der Mann hatte Kabelbinder dabei um die Partygäste zu fesseln um daraufhin jeden einzeln hinzurichten. Den Opfern fehlten Fingernägel, anderen die ganze Hand oder ein Fuß, teilweise wurden ihnen einzelne Zähne ausgeschlagen. Allen wurde mit einem heißen Eisen die Augen ausgebrannt und schließlich die Kehle geöffnet. Die Polizei musste die Schreie der Opfer mit anhören, während sie versuchte die verbarikadierte Tür zu öffnen. Nach etwa 30 Minuten drangen dann die Beamten der Polizei in die Wohnung. Sie fanden ein Blutbad vor: Niemand konnte dem Massaker entkommen, der Peiniger hatte sich nach seiner Tat in den Mund geschossen.
Verstörte Nachbarn hatten den 37-jährigen stets als ruhigen und unscheinbaren Mitbewohner empfunden, Unverständnis wo man auch fragt. Niemand hätte ihm die Tat zugetraut.
In seiner Wohnung fanden die Ermittler Killerspiele."

Entwarnung, das ist nicht unser Nachbar! Ich hab ihn ebend auf dem Flur getroffen. Netter Mann. etwas kleiner als ich, braune Haare, einen Schnäuzer. Etwa Mitte 50. Er trug eine braune Lederjacke, hatte ein Stoffbeutel in der Hand- offensichtlich auf dem Weg zum Einkaufen. Ich grüßte. Eine etwas heller als erwartete Stimme antwortete "Hallo". Sanft, klar, der Mann könnte ein Hörbuch lesen :) Alles in allem überhaupt nicht angsteinflößend. Kein Anflug eines Psychopaten, einfach ein netter älterer Herr. Vermutlich wohnt er auch noch mit seiner Frau zusammen. Jedenfalls kann ich von nun an diesbezüglich beruhigt schlafen. Alles ist gut!

1 Kommentare:

Tim E. hat gesagt…

Johannes, ich bin erfreut über diesen guten Post :)
Ein vorteffliches Profil, das du von unserem imaginären Nachbar erstellt hast, besonders realistisch auch an die Tatsache angelehnt, dass er Killerspiele spielt ;)
Ein guter Text! Weiter so :)

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